«Ich arbeite mit meinem Atem»

Einatmen und Ausatmen – alle Menschen atmen pro Tag durchschnittlich 23’000-mal – und das ganz automatisch. Auch für Berufsmusikerinnen und Berufsmusiker, insbesondere den Bläsern, ist die Atmung das A und O. Welche Atmungen für Flötistinnen und Flötisten wichtig sind, weshalb die jetzige Flöte so existiert und welches Herzensprojekt Haika Lübcke, Piccolo- und Flötistin im Tonhalle-Orchester in Zürich, fertigstellen konnte, erzählt sie uns im Interview.

Atmung ist ein grosses Thema

Wenn in der Musik von einer Flötistin oder einem Flötisten gesprochen wird, so spielen diese Personen jeweils die Querflöte. Die Atmung bei ihnen nimmt bereits in der Ausbildung einen wichtigen Teil ein. So werden nicht nur verschiedene Atemtechniken gelernt, sondern – und das ist besonders wichtig – auch, wie die ganze Lunge mit Luft gefüllt wird und wie die Bauchmuskeln dann als Stütze gebraucht werden können. «Für mich ist solches Atmen ganz natürlich», erklärt Haika Lübcke, «denn ich arbeite mit meinem Atem.»

Mit Übung zur vollen Lunge

Aber nicht nur das richtige Einatmen will gelernt sein. Die Bläserinnen und Bläser haben auch eine geschulte Art, die Atmung zu benutzen, also richtig auszuatmen. Für sie ist sonnenklar: «Das Wichtigste für uns Bläserinnen und Bläser ist, beide Lungenflügel zuerst komplett mit Luft zu füllen und anschliessend diese Luft kontrolliert auszuatmen, um so einen Ton oder verschiedene Töne über eine längere Zeit zu erzeugen. Das kann geübt werden, indem man zuerst tief einatmet und beim Ausatmen den Buchstaben «F» langsam und gleichmässig ausspricht, bis die ganze Luft draussen ist.» zeigt die gebürtige Norddeutsche auf. Wenn besonders viel Luft gebraucht wird, dann muss tief eingeatmet und die Lunge bis obenhin gefüllt werden.

 
«Heutzutage wird im Studium auch die Permanentatmung oder Zirkularatmung gelehrt.»

Die Zirkularatmung

Dabei handelt es sich um eine Atmung, mit der während dem Spielen des Instruments gleichzeitig eingeatmet werden kann – man atmet also gleichzeitig ein und aus. Damit ein schöner und gleichmässiger Ton entsteht, muss dies sehr oft geübt werden. Da stellt sich natürlich die Frage, wie diese Atmung geübt werden kann. Ganz einfach: mit einem Glas Wasser und einem Trinkhalm. Durch das Röhrli atmet man aus damit Luftblasen entstehen. Gleichzeitig holt man neue Luft durch die Nase, ohne dass die Luftblasen ausbleiben. Das ist mittlerweile auch im Lehrplan integriert, da es in der zeitgenössischen Musik oft verlangt wird. Diese Permanent- oder Zirkularatmung ist also eine Fähigkeit, die für Bläserinnen und Bläser immer wichtiger wird.

Atempausen

Da Flötespielen ähnlich wie Singen ist, ergeben sich die Atempausen eigentlich auch aus der Musik. Wenn die Atempausen aber nicht klar sind, weil es längere zusammenhängende Passagen gibt, dann muss man sich schon gut überlegen, wo geatmet werden soll. Denn es soll für die Zuhörer ja nicht unbedingt hörbar sein. Besonders schwierig sind Stücke, die für Streicher geschrieben wurden. «An diesen verzweifeln wir Flötistinnen zum Teil fast, denn beim Geigenspielen muss man nicht zwingend Luft holen.», stellt die Flötistin klar. «Da muss jeweils die Flötistin oder der Flötist selbst die Atemzeichen setzen, da das eigene Lungenvolumen unterschiedlich ist.»

 

Hitzgi hatzgi hinter dem Haag – das wirkt!

Doch was geschieht, wenn man einen Hitzgi – also einen Schluckauf – hat. «Mir ist das noch nie passiert. Wahrscheinlich hängt das mit dem Adrenalin zutun. Aber einmal bekam eine Kollegin den Hitzgi, das hatte da aber keinen Einfluss, da wir im Fortissimo, also sehr laut, spielten», erinnert sich Lübcke lächelnd zurück.
«Durch meine Atemtechnik kann ich aber den Schluckauf wegbekommen. Dafür atme ich nur wenig Luft ein, ziehe diese aber tief runter in die Lunge und versuche mit dem Zwerchfell, der Lunge und der Bauchmuskulatur leicht zu hecheln.» Wenn Sie also das nächste Mal einen Schluckauf haben, versuchen Sie doch, einzuatmen und dann eine halbe Minute regelmässig ganz leicht zu hecheln. Hoffentlich bekommen Sie so den Schluckauf weg.

Von der Lungenkrankheit zur Flötenrevolution

Die heutige Flöte wurde von Theobald Böhm in München entwickelt. Der kam zum Instrument, da er von Schwindsucht, heute sagen wir dazu Tuberkulose, betroffen war. Sein Arzt sagte ihm, dass er Flöte spielen sollte, damit er die Tuberkulose besser im Griff habe. Das hat Böhm auch getan und spielte bald so gut, dass er erster Flötist der königlichen Hofkapelle München wurde. Da er ebenfalls schon früher eine Ausbildung zum Goldschmied absolviert hatte, entwickelt er eine völlig neue Flöte. Diese war zylindrisch, komplett aus Metall und deren Konstruktion zudem mathematisch berechnet. Das war damals im Jahr 1847 eine Revolution. Die Bauweise dieser Flöte ist auch heute noch gültig. Die Frage stellt sich natürlich, ob wir heute eine andere Flöte hätten, wenn nicht dieser Arzt, Böhm und die Tuberkulose zusammengetroffen wären…

Das Herzensprojekt

«Die CD war ein absolutes Herzensprojekt.» Durch die COVID-Zwangspause kam Haika auf die Idee, eine CD aufzunehmen. Inspiriert wurde sie auch durch ein Stück von Jan Novak, das «Marsyas» hiess. Sie fand die Musik von diesem Ausschnitt so toll, dass sie das ganze Stück zusammensuchte und schliesslich mit weiteren Stücken, welche sich ebenfalls um die griechische Marsyas-Legende drehte, aufnahm. Die ganze Planung für die CD-Produktion war sehr zeitintensiv. Zudem war ihr wichtig, dass auch Schweizer Musik vertreten ist. Daher freute sie sich sehr, dass der Zürcher Komponist, Daniel Schnyder, für dieses Projekt ein Stück für Piccolo und Harfe komponierte. Die CD kann bei den gängigen Medienanbietern gekauft werden, sie heisst «Piccolo Legends».

Zuletzt geändert:
4. September 2023